Von der Überschwemmung zum «Schatzfund»
WK Kulturgüterschutz, 26. – 30. Juni 2023
«Bei den Unwettern vom Juni 2021 wurde unser Archiv geflutet – bei dessen Räumung sind wir auf diesen Schatz gestossen». Monika Moser, der Gemeindeschreiberin der Reformierten Kirchgemeinde Aetingen Mühledorf, sei ein Stapel entgegengekommen, der auf einem schiefen Schrank gelegen habe. Niemand wusste, was dort jahrelang zwischen unscheinbaren Kartonplatten zunehmend verstaubte. Bei näherem Betrachten stellte sich heraus, dass es sich um die aufgeschichteten alten Fenster der reformierten Kirche Aetingen (Baujahr 1502) handelt, die bei der Innenrestaurierung (1977 bis 1983) ersetzt wurden. In Absprache mit dem Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Solothurn wurde entschieden, diese in Blei gefassten Glasstücke an einen klimatisch idealeren Ort zu bringen. Ihr ungefähres Alter und wer der Künstler dieser Kunstwerke ist, wird noch abgeklärt.
Vier Zivilschützer des Kulturgüterschutzes der Regionalen Zivilschutzorganisation Aare Süd sind im kleinen Archivraum, ausgerüstet mit weissen Stoffhandschuhen. Angeleitet werden sie von Angela Kummer, Leiterin Kulturgüterschutz des Kantons Solothurn. «Hier konnte das Schlimmste vermieden werden. Aber in der Regel verfolgen wir eher eine präventive Taktik: Wir bemühen uns, es gar nicht erst zu einem Schaden kommen zu lassen.» Karton um Karton heben sie vom Stapel, schieben teils ganze Fenster, teils eher lose Ansammlungen von farbigen Teilen auf eine Polsterschicht, entfernen behutsam Staub, decken das Glas mit zweiter Polsterung sowie einer Holzplatte und tragen die insgesamt zwölf verpackten Fenster ins stabile Klima des Nebengebäudes.
In der katholischen Kirche Deitingen erfassen fünf Zivilschützer im Kirchenschiff, im Keller sowie im oberen Stock alle beweglichen Objekte – unter anderem die Figuren der Krippe, deren Kulissenlandschaft für Weihnachten 2022 aufwändig neu gestaltet wurde. Jedes Objekt wird vermessen und fotografiert. Anders als im Archiv in Aetingen wird hier alles sicher trocken bleiben. Auf der anderen Strassenseite fliesst zwar die Ösch, aber die Wahrscheinlichkeit, dass ein Hochwasser etwas zerstört, ist äusserst gering. Aber: «Immer wieder sind Kirchen Ziele von Vandalen – ein Brand reicht, um diese alten und wertvollen Kulturgüter zu vernichten», berichtet Angela Kummer und erwähnt den gelegten Brand in Hofstetten vom letzten Jahr. Die anspruchsvollsten Schätze – vorwiegend in Papierform – werden ins gegenüberliegende Pfarrhaus gebracht. Zum Beispiel das «Messbuch des Zisterzienserordens» von 1682, dessen Wert kaum beziffert werden kann, wartet geduldig auf seinen Transport. Für so altes Papier spielt Zeit keine Rolle.